Wir sind alle Egoisten …

Normalerweise fahre ich lieber mit dem Zug, aber als ich zwei Auftritte in Hamburg hatte, bin ich aus Zeitgründen geflogen und habe eine interessante Beobachtung gemacht.

Das Flugzeug war komplett ausgebucht. Deshalb wurde vorab eine E-Mail verschickt mit der Bitte sein Handgepäck einzuchecken. Die Szenen, die sich dann im Flugzeug abgespielt haben, ließen aber vermuten, dass niemand davon Gebrauch gemacht hat. 
Die Gepäckfächer quollen schon nach wenigen Minuten über, Taschen wurden auf Kleidersäcke geworfen und Koffer im hinteren Teil des Flugzeugs verstaut. Es hat mich irgendwie an eine Fabel aus dem Buch „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“ erinnert.

Darin geht es um einen König in einem Weinanbaugebiet. Er möchte den besten Wein aller Zeiten herstellen und ruft sein Volk auf, ihm jeweils einen Liter des besten Weines zu bringen, den sie besitzen.
So ziehen alle Familien los und eine nach der anderen leeren ihren Krug in einen großen Behälter.

Als alle ihre Behälter geleert haben, nimmt der König eine große Kelle und führt sie zu seinem Mund. Er riecht daran, dann nimmt er einen Schluck und runzelt verwundert die Stirn. Er nimmt noch einen Schluck und ist sich sicher: „Es ist pures Wasser“!

Klar, jeder dachte sich: „Das fällt gar nicht auf. Bei 500 Litern Wein, wird keiner merken, wenn wir einen Liter Wasser beisteuern.“

Nur, wenn jeder so denkt, erleben wir solche Situationen wie im Flugzeug. 

In der „neuen“ Arbeitswelt geht es noch viel stärker als bisher um EigenverantwortungSelbstbestimmung und Partizipation. Wir predigen Prinzipien statt Regeln und merken doch gleichzeitig, dass es teilweise ohne Regeln nicht geht. 
Warum gibt keiner sein Handgepäck auf? Ich sehe zwei Gründe: 
Zum einen ist die Gruppe zu groß. Man denkt sich: „Das macht keinen Unterschied, wenn nur ich es tue.“.
Zum anderen ist die Gruppe zu anyonym. Wenn das gesamte Flugzeug von Menschen genutzt würde, die sich kennen, wäre es sicherlich anders verlaufen.

Brauchen wir deswegen klarere Regeln in solchen Situationen? Brauchen wir auch wieder mehr Regeln im Unternehmen? Ja, in bestimmten Situationen und für bestimmte Gruppen von Menschen definitiv.

Das sollten indes aber keine strikten Regeln, sondern eher Rahmenbedingungen sein. Als wir dann aus dem Flugzeug ausgestiegen sind, habe ich wehmütig an die Corona-Zeit gedacht. Im letzten Jahr gab es beim Ausstieg klare Rahmenbedingungen: „Reihe 1-8 steigt zuerst aus. Dann folgen Reihe 9-17 und dann Reihe 18-27….“. 

Wie lief es diese Woche ab? Sämtliche Reihen haben sich sofort nach dem Halt der Maschine in den Gang gedrängt und versucht ihren Koffer aus einem Gepäckfach zu ziehen. Dabei fiel der eine oder andere Gegenstand heraus, was fast zu einer Prügelei geführt hätte.

Wir Menschen sind nun Mal egozentrierte Wesen und daran wird sich auch in der Arbeitswelt der Zukunft nichts ändern. Solange wir uns anonym in einer Gruppe von Menschen verstecken können und das Gefühl haben, unser Beitrag macht doch keinen Unterschied, werden wir zunächst an uns selbst denken.

Wenn in deinem Unternehmen jetzt alle „agil“ arbeiten sollen, es flache Hierarchien gibt und an die Eigenverantwortung appelliert wird, hinterfrage mal kritisch, ob das wirklich die richtigen Maßnahmen sind und ob die Wahrheit nicht irgendwo dazwischen liegt.

Denk dran: „Beim nächsten Mal einfach dein Handgepäck aufgeben!“ =)

Dein Dennis


Diese Artikel könnten dir auch gefallen

Glückspilz Oder Pechvogel

Glückspilz Oder Pechvogel

Mache es wie 5.000 andere Leser!

Hole dir GRATIS die ersten Seiten meines neuen Buches "Future Work Skills" und erhalte einmal pro Woche spannende Infos rund um die wichtigsten Skills der Zukunft: